Nebelhorn in Oberstdorf: Grandioses Kar mit neuer Bahn

Vergangene Woche bin ich wegen der neuen Nebelhornbahn von München zum Skifahren ans Nebelhorn gefahren. Ans Nebelhorn? Ja, es gibt definitiv größere Skigebiete, auch in Deutschland. Aber nicht viele mit so viel Charakter. Das Nebelhorn wirbt damit, die längste deutsche Skiabfahrt zu haben: Da kann man 7,5 Kilometer und 1400 Höhenmeter in einem Rutsch unter die Ski nehmen. Na ja, ob das wirklich mehr ist als am Dammkar in Mittenwald, weiß ich nicht. Aber vermutlich gilt das Dammkar nur als Skiroute, während die Nebelhornabfahrt durchgehend präpariert ist.

Offiziell gibt es am Nebelhorn sogar 13 Kilometer Pisten und noch mal einen knappen Kilometer beschilderte Skiroute. Momentan sind es allerdings ein bisschen weniger: Das liegt an der guten alten Gipfelbahn, die an normalen Tagen 500 Gäste stündlich hoch zum Gipfelrestaurant (und zum Start der Skiabfahrt) bringt. Weil Großkabinen wegen Corona gerade nur 25 Prozent der normalen Gäste mitnehmen dürfen, hat sich die Bergbahnleitung aber entschieden, nur Nichtskifahrer auf dieser obersten Sektion zu befördern.

Das ist für den Skifahrer nicht so dramatisch, wie es klingt: Von den vier da oben eingezeichneten Pisten gibt es in der Praxis nur eine unattraktive Querpassage und den weiten, unpräparierten Gipfelhang, der bei leicht verharschtem Pressschnee kein großes Vergnügen sein dürfte. So blieb es in der Realität bei drei skifahrerischen Möglichkeiten für den Pistentag: erstens den beschwingten, aber kurzen Abfahrten links und rechts des Koblat-Vierersessels oberhalb des zentralen Dreh- und Angelpunkts Höfatsblick, zweitens der ebenfalls rot markierten, aber in Wirklichkeit deutlich anspruchsvolleren Sonngehren-Strecke ein Stockwerk tiefer mit Rückkehr zur Station Höfatsblick in einem fast 40 Jahre alten Doppelsessel und drittens der Kombination aus beidem und Weiterfahrt zur Talstation. Dieses unterste Stück ist wieder etwas flacher, aber teilweise eng und so – wie der ganze Berg – nichts für Anfänger.

Der eigentliche Reiz des Nebelhorn liegt aber nicht nur an der Piste, sondern der gewaltigen Berglandschaft. Das Skigebiet besteht auf den obersten 300 Höhenmetern oberhalb der Station Höfatsblick aus einem weiten, offenen Kessel, der bei ausreichend Schnee eigentlich überall abzufahren ermöglicht. In der Realität ist der Gipfelhang meist eine einzige breite Buckelpiste. Unterhalb der Station Höfatsblick, also immerhin über 1100 Höhenmeter, wandelt sich das Tal in ein grandioses westseitiges Kar mit beidseitigen, mehrere hundert Meter hohen Felswänden. So etwas Hochalpines gibt es in Deutschland kein zweites Mal in dieser perfekten Erschließung.

Apropos Erschließung: Der neuen Bahn wegen war ich ja eigentlich gekommen. Vor dem ausgefallenen Corona-Winter 2020/21 hatte zwischen der Talstation mitten im Ort und der Station Höfatsblick eine 90 Jahre alte Pendelbahn brav ihren Dienst getan. Deren Ende war schon beschlossen, als der Corona-Lockdown kam. Da entschieden die Seilbahn-Verantwortlichen, das Mega-Projekt sofort zu starten. Kurz entschlossen wurde seit dem Lockdowns mit mehr als 50 Millionen Euro Aufwand die alte Bahn gegen eine moderne Zehnerkabinenbahn getauscht. Die ist nicht nur deutlich schneller, sondern erspart den Fahrgästen auch das bisher nötige Umsteigen an der Mittelstation. Bei unserem Besuch (unter der Woche) musste man sich eine Bahn höchstens mit einer anderen Partie teilen.

Gespart wurde bei dem Neubau definitiv nicht, besonders viel Geld hat man für die Umgestaltung der Talstation in die Hand genommen. Wo früher ein immer überlasteter Matschparkplatz und eine in die Jahre gekommene Kasse waren, erwartet einen heute eine schicke Tiefgarage mit Lift hoch zur Kasse und kurzen Wegen zur cool designten Bergbahnstation.

Dass der ganze schöne Luxus nach zwei von drei Sektionen endet und dann wieder die alte Gipfelbahn samt ihren langen Wartezeiten folgt, ist freilich ein echter Schönheitsfehler. Die 2017 entstandene Gipfelstation samt Restaurant und Weitblick über 400 Gipfel bleibt Skifahrern aktuell so verschlossen. Gastronomisch haben wir uns schadlos gehalten und sind zur Mittagspause auf die Sonnenterrasse des Edmund-Probst-Hauses gleich neben der Station Höfatsblick gegangen. Ein guter Entschluss: Die junge Hütten-Crew der Alpenvereinshütte dort beeindruckt mit guten, vielen vegetarischen Gerichten bis hin zum indischen Hüttencurry und ist für uns aktuell die beste Wahl am Nebelhorn. 

Die Talabfahrt bis hinunter nach Oberstdorf ist so gut gestärkt natürlich ein doppelter Genuss. Der wäre freilich noch größer, wenn die Bergbahn sich außer der schicken Talstation auch noch eine vernünftige Beschilderung geleistet hätte. So finden Nebelhorn-Neulinge weder am Höfatsblick noch an der Mittelstation auf Anhieb den richtigen Weg ins Tal. Und zwischen den ersten Häusern des Orts angekommen, müssen sie auch darauf hoffen, dass ein Ortskundiger vor ihnen den Weg zur Talstation weiß.

Info: https://www.ok-bergbahnen.com/bergbahnen/nebelhornbahn/, https://www.oberstdorf.de, https://www.allgaeu.de

(hwr)

Die neue Zehnergondelbahn, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

Deutschlands längste Skiabfahrt, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian
Gipfelmuldenabfahrt, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

Bergstation der Koblat-Sesselbahn, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

Zielhang, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian
Die neue Zehnergondelbahn, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

Edmund-Probst-Haus des Deutschen Alpenvereins, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian
Eingang des Edmund-Probst-Hauses des Deutschen Alpenvereins, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

Gipfelbahn, Skigebiet Nebelhorn, Oberstdorf. Foto: H.-W. Rodrian

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