Winterurlaub im stillen Pflerschtal: Südtirols kleines Ende der Welt

Immer größer, immer weiter, immer höher? Es scheint so, als kennt der Winterurlaub in den Bergen nur diesen einen Weg. Doch ein kleines Seitental hinterm Brennerpass wehrt sich erfolgreich

In der Edelweißhütte neben der Bergstation schaut Paula aus der Küche. Den ganzen Vormittag hat sie gekocht, jetzt tischt sie auf: Kaiserschmarrn und Knödeltris, Hirtenmaccheroni und Hirschgulasch. Hungrig muss im Pflerschtal keiner die Skipiste runter fahren. Man sieht es Paula nicht an, aber seit 1969 der erste Lift vom Taldorf Ladurns herauf gebaut wurde, schwingt sie hier den Kochlöffel. Im Sommer ebenfalls, und da läuft nicht mal der Lift, also heißt es täglich aufsteigen.

Ein Skigebiet wie früher – Gott sei Dank

Es gibt sie glücklicherweise noch, solche Skigebiete wie früher. Ladurns ist so ein kleines Pistenrevier. Da surren gerade mal zwei Skilifte; aber für Ex-Skirenn-Weltmeister Patrick Staudacher haben die gereicht. Patrick hat bei der Abfahrt vom Elternhaus ins Tal das Skifahren gelernt, heute trägt die Piste seinen Namen. Er selbst ist mittlerweile Trainer der Nationalmannschaft und hat sich ein Haus vor der letzten Pistenkurve gebaut.

Wegen Patrick Staudacher sieht man auf den Pisten von Ladurns oft die italienische Ski-Nationalmannschaft üben. Dabei gäbe es – ehrlich gesagt – durchaus größere Skigebiete in Italien. Ladurns ist sehr überschaubar: Es gibt eine Vierersesselbahn zur Mittelstation und von dort eine zweite zum Gipfel. Punkt. Laut Pistenpanorama führt ein Dutzend Abfahrten ins Tal. Doch wer oben steht, erkennt eigentlich nur einen breiten Hang beiderseits der Sesselbahn, auf dem man außen etwas sanfter und in der Direttissima etwas anspruchsvoller herunter fahren kann.

Ein Panorama wie ein antikes Theater

Zwischendrin lohnt es sich aber anzuhalten. Denn wenn schon nicht die Zahl der Pisten, so kann es doch das Panorama mit den großen wintersportlichen Berühmtheiten aufnehmen. Wie ein antikes Theater spannen sich um die Ladurnser Alm nach Süden im Halbkreis die Zacken des Telfer Weißen. Und nach Norden erhebt sich jenseits des Pflerschtals der Alpenhauptkamm mit dem mächtigen Felsstock des Tribulaun.

Die Bergbahn verlässt sich glücklicherweise nicht allein auf die beeindruckende Kulisse, sondern sie hält auch die Anlagen in Schuss. Als vor zehn Jahren reihum andere Gebiete wie Hühnerspiel und Zirog schlossen, bauten die Pflerschtaler zwei moderne Sesselbahnen. Als die Winter immer wärmer wurden, leisteten sie sich eine professionelle Beschneiung. Und als immer mehr Familien den Reiz des überschaubaren Reviers erkannten, richteten sie in der Talstation einen Skikindergarten ein, das “Fichti Kinderland Ladurns”.

Dreimal so viele Pisten – ob das ein Vorteil wäre?

Eins haben sie dagegen nicht getan: Seit 15 Jahren lockt die Gemeinde Sterzing draußen im geschäftigen Eisacktal, ihr Skigebiet Rosskopf mit den Pisten von Ladurns zu verbinden. Es bräuchte nicht viel: zwei Lifte. Dann hätte man plötzlich dreimal so viele Pisten. Aber ob das wirklich ein Vorteil wäre?

Nein, meinen die Einheimischen. Sie finden es gut so, wie es jetzt ist. “Stress und Karrieredruck haben die Leute doch da draußen im Alltag genug”, meint Anna Gross. “Bei uns muss es nicht auch noch hektisch zugehen.” Anna weiß, wovon sie spricht. Gemeinsam mit ihrer Tochter Stephanie Ganterer führt die Südtirolerin ein idyllisch im Talschluss gelegenes Hotel. Feuerstein haben sie es genannt, nach einem anderen Paradeberg der Region.

Für die Kids: Holzwerkstatt statt Bällebad

Natürlich geht man auch im Pferschtal mit der Zeit. Der alte Giggler-Bauernhof aus dem Jahr 1502 nennt sich nach einem Umbau im Sommer jetzt Feuerstein Nature Family Resort. Unter die gewaltige Bergkulisse mit den Wasserfällen wurden neun neue Chalets gebaut. Von deren Terrasse blickt man auf den Badeteich, der im Winter als natürlicher Eislaufplatz dient. Ein Kraftort für Familien soll das sein.

Zumindest ist es mal was anderes. Wo andere Familienhotels ein Bällebad haben, gibt es hier eine Holzwerkstatt für Papas, die ihren Sprösslingen mal zeigen wollen, wo der Hammer hängt. Statt Disco lädt Anna abends zur Meditation im Yoga Loft. Und im Schwimmbad können die Kinder unter anderem Unter-Wasser-Memory spielen. Aber keine Angst: Es ist auch eine 100 Meter lange Rutsche da.

Ein schwules Almbauernpärchen macht sein Ding

Alpinskifahren ist nicht alles im Pflerschtal. Wer mal Lust auf Abwechslung hat, der kann langlaufen, zur urigen Amris-Alm aufsteigen und nach einem deftigen Hüttenschmaus wieder herunter rodeln. Oder die Familie geht – zu Fuß oder mit Schneeschuhen – noch weiter hinein in den Talschluss, wo Reinhold Eisendle seinen Bauernhof hat.

Reinhold ist Schafbauer und Käseproduzent. Gemeinsam mit Partner Michael, Mutter Annemarie und 45 Schafen lebt er in der Bergeinsamkeit des Steinmessner-Hofs. Zu Anfang gab es natürlich viel Getuschel unter den Leuten im Tal: ein schwules Almbauernpärchen! Die schiefen Blicke, als Michael vor sechs Jahren seine Stelle als Arzt und Psychotherapeut aufgab und zog zu Reinhold auf den Hof zog, haben sich längst in Anerkennung gewendet. Die beiden machen eben ihr eigenes Ding, und sie machen es erfolgreich.

In der Stube entstehen Kunstwerke aus Schafwolle

Reinhold kümmert sich um die Schafe und den Käse, sein Partner Michael hat sich zum Weber fortgebildet. Auf dem engen Dachboden stehen mittlerweile fünf Webstühle. Auf denen entstehen vom feingewebten Schal über Geschirrtücher und Decken bis zum strapazierfähigen Teppich aus der härteren Mutterschafwolle zahlreiche gewebte Kunstwerke, für die Liebhaber von weither ins stille Pflerschtal kommen. An langen Wintertagen sitzen die drei zusammen in der Stube und stricken aus der Schafwolle noch Socken und Janker.

Zugekauft wird auf dem Steinmessner-Hof kaum etwas und gegessen, was Garten und Tiere hergeben. Reinhold und Michael leben nach den Selbstversorger-Grundsätzen des Briten John Seymour. “Aber nicht so extrem”, schränkt Reinhold gleich ein. “Wir kaufen unser Waschmittel ganz normal im Supermarkt.”

Als Zubrot verkaufen die beiden ihre Produkte auf dem Sterzinger Wochenmarkt. Der ist jeden Freitagvormittag, aber nur von Mai bis Oktober. Im Winter sind Reinhold und Michael mit ihren Schafwoll- und Leinenprodukten auf dem Weihnachtsmarkt in Gossensass. Aber nur, solange noch Ware da ist. Danach fahren sie zufrieden wieder hinauf auf ihren Bergbauernhof.

Text: Hans-Werner Rodrian

 

Adressen:

Edelweißhütte, Ladurns, Tel. 0039/0472/770012, info@edelweisshuette.it, www.oberhofer.it.

Bergbahnen Ladurns, Pflersch 94, 39041 Gossensass, Italien, Tel. 0039/0472/770559, www.ladurns.it.

Tourismusverein Gossensass/Pflerschtal, Ibsenplatz 2, 39041 Gossensass, Italien, Tel. 0039/0472/632372, www.gossensass.org.

Nature Family Resort Feuerstein, Pflersch 185, 39041 Gossensass, Italien, Tel. 0039/0472/770126, www.feuerstein.info.

Steinmessner-Hof Reinhold Eisendle und Michael Scharrer: Pflersch 192, 39041 Gossensass, Italien, Tel. 0039/328/0048298.

 

Das Pflerschtal im Web-Viewer von „Schnee und mehr – Der Skiatlas“: Sterzing / Eisacktal

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